„Diese Gerechtigkeit kommt spät, allzu spät“ – Kommentar zum Stutthof-Prozess in Münster

Aktuell läuft vor dem Landgericht Münster der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof. Dem 94-jährigen Johann R. aus dem Kreis Borken wird Beihilfe zum hundertfachen Mord vorgeworfen, weil er als Teil der Wachmannschaft Teil der Folter- und Vernichtungsmaschinerie des Lagers war. Das KZ Stutthof bei Danzig ist in Deutschland nur wenigen bekannt. Es wurde von den Nazis kurz nach dem Überfall auf und der anschließenden Besatzung Polens ab dem August 1939 errichtet und war ein von der SS geleitetes Arbeits- und Vernichtungslager mit mehreren Außenlagern.

Anfangs vor allem zur Internierung politischer Gefangener genutzt, wurden seit der offiziellen Deklaration als Konzentrationslager vor allem Juden und Jüdinnen dorthin verschleppt. Stutthof wurde aufgrund seiner abgelegenen Lage erst am 9. Mai 1945 von der roten Armee befreit. Sie konnte nur noch wenige hundert Gefangene befreien, der Großteil war seit Beginn des Jahres 1945 von der SS erschossen oder bei erzwungenen Todesmärschen umgebracht worden. Insgesamt durchliefen ca. 120.000 Menschen das KZ, mindestens 65.000 von ihnen wurden dort ermordet. Mit dem Prozess gegen Johann R. beginnt nun eine sehr späte Aufarbeitung der Verbrechen in Stutthof. Weiterlesen

Redebeitrag auf der Demo „Nein zum neuen Polizeigesetz“

Die Dauer von Repressalien wie der Präventivhaft und des Unterbindungsgewahrsams wurde reduziert – doch die Maßnahmen an sich und ihre massiven Folgen für die Betroffenen werden nicht in Frage gestellt.Nahezu unverändert geblieben sind vor allem die neuen Möglichkeiten zum Ausbau der Überwachung wie Trojaner, die umfassende Videoüberwachung sogenannter „gefährlicher Orte“ und die Legalisierung von Racial Profiling und Grenzkontrollen durch die Möglichkeit der „strategischen Fahndung“.

Alles in allem bleibt es dabei: Das neue Polizeigesetz NRW wird die Befugnisse und Maßnahmen der Polizei massiv ausbauen. Und dies wird gleichsam zu drastischen Einschnitten bei rechtsstaatlichen Prinzipien und den Grundrechten führen. Die in den 70er Jahren vom BKA-Präsidenten Horst Herold formulierte Maxime einer Polizei, die „vor die Lage kommt“, d.h. agiert, bevor Straftaten begangen werden bzw. begangen werden können, wird mit dem neuen Polizeigesetz in NRW damit so gut wie abgeschlossen.

Diese Entwicklung ist keinesfalls neu. Was in den 70er Jahren mit dem Ausbau des BKA begann, wurde seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in diversen Gesetzesnovellierungen, gerichtlichen Entscheidungen und nicht zuletzt im medialen und politischen Diskurs endgültig auf den Weg gebracht. Die Vorverlagerung polizeilichen Handelns und die stetige Ausweitung polizeilicher Befugnisse waren eine Konstante im Handeln aller Sicherheitspolitiker:innen der letzten beiden Jahrzehnte. Immer wenn es sich anbot, z.B. im Vorfeld großer Proteste wie gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm oder den G20-Gipfel in Hamburg, wurden ausufernde Gefahrenprognosen und -szenarien entwickelt, um einen weiteren Ausbau des Sicherheitsapparats zu rechtfertigen und zu ermöglichen.

Unabhängig davon, ob die Maßnahmen geeignet waren, „Sicherheit“ zu schaffen und ungeachtet der Frage, wie sehr die individuelle Freiheit als „Kollateralschaden“ dabei eingeschränkt wurde, konnten sich Politiker:innen beim Thema „Innere Sicherheit“ als Macher:innen präsentieren.
Die Akzeptanz, die diese Politik in breiten Teilen der Zivilgesellschaft erfuhr und erfährt, ist Ausdruck und Folge einer autoritären Formierung innerhalb unserer Gesellschaft in Zeiten der stetigen Krise: Auch in einer im Verhältnis sehr privilegierten Gesellschaft wie in der Bundesrepublik führt die neoliberal ausgerichtete Wirtschafts- und Sozialpolitik zu zunehmend ungesicherten Lebensverhältnissen. Wo die soziale Integration von Teilen der Bevölkerung nicht länger angestrebt wird, setzen die Herrschenden auf Repression, um Unzufriedenheit, Opposition und abweichendes Verhalten unter Kontrolle zu halten. Dazu wird der staatliche Machtapparat ausgebaut und seiner demokratischen Beschränkungen Stück für Stück entledigt. Zugleich bietet der „starke Staat“ auch ein Identifikationsobjekt für diejenigen, die sich nach Autorität und stabilen Strukturen im gefühlten allgegenwärtigen „Kontrollverlust“ sehnen. Selbst wenn diese Strukturen sie letztendlich selber diskriminieren und unterdrücken.

Es ist kein Geheimnis, dass autoritäre Einstellungsmuster in Deutschland weit verbreitet und akzeptiert sind. In den letzten Jahren gelang es rechten Parteien und Organisationen jedoch zunehmend, dieses Potenzial zu aktivieren und zu binden. Auch dank der emsigen Vorarbeit der Sicherheitspolitiker:innen, Sicherheitsbehörden und von Lobbygruppen wie der Rüstungsindustrie und den Polizeigewerkschaften. Um diese Klientelpolitik weiter betreiben zu können, wird der Ausbau des autoritären Sicherheitsstaates immer weiter voran getrieben – ungeachtet der gesellschaftlichen Konsequenzen.

Das Gefahrenpotenzial, das von einer Polizei ausgeht, die ohne konkrete Beweise oder gleich ohne Vorliegen einer Straftat schwerwiegende Repressalien gegen Einzelne und soziale Bewegungen zum Einsatz bringen kann, ist immens. Hinzu kommt, dass sich die Polizei immer stärker als selbständige politische Akteurin versteht, in ihrem Handeln zunehmend verselbständigt und sich auch einer gerichtlichen Kontrolle immer mehr entzieht.

Im Zuge des politischen Rechtsrucks rückt auch die Polizei – mit ihrer straffen Hierachie und ihrem Machtanspruch seit jeher ein Hort für autoritär geprägte Charaktere – noch weiter nach rechts. Sollte sich eine solche Institution – und sei es auch nur temporär – mit all ihren Instrumenten zum willfährigen Partner oder Werkzeug rechter und autoritärer Parteien machen, wird dies fatale Folgen haben. Ein teils paramilitärischer Apparat mit umfangreichen Mitteln zur Überwachung und Kontrolle in Kooperation mit einer extrem rechten Partei? Vor Jahren noch unvorstellbar, in Österreich, Italien und Brasilien seit Kurzem die bittere Realität.

Vertrauen in die Polizei, ihre Integrität und ihre Fähigkeit, sich selbst zu kontrollieren, ist also weiterhin völlig falsch angebracht. Stattdessen gilt es, gesellschaftliche Errungenschaften und Freiheiten zu verteidigen und der autoritären Formierung in all ihren Facetten den Kampf anzusagen.

Wir wollen kein „besseres“ oder „entschärftes“ Polizeigesetz – wir wollen eine Gesellschaft, die ohne die Institution Polizei und die von ihr ausgehende Gewalt auskommt!

Wir wollen eine Gemeinschaft die nicht auf Konkurrenz, Ausgrenzung und Kontrolle basiert – sondern auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität!

6. Dezember: “Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln?”

Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln?” Antifa im Parlament mit Katharina König (Die Linke/MdL Thüringen)

Antifaarbeit findet auch in Parlamenten statt. Uns interessiert, wie sich die Arbeit dort von außerparlamentarischer Arbeit unterscheidet. Wie bereichern oder stören sie sich gegenseitig? Ist diese Trennung überhaupt sinnvoll? Ergeben sich für Abgeordnete mit dem Schwerpunkt Antifa besondere Schwierigkeiten?
Die Möglichkeiten und Chancen, aber auch Probleme und Widersprüche, die dieser Arbeitsplatz bietet, werden wir mit Katharina König-Preuss diskutieren. Sie ist Abgeordnete für Die Linke im Thüringer Landtag und Sprecherin für Antifaschismus. Sie engagiert sich für eine antifaschistische Linke im Landtag, unter anderem im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU.

„Leo 16″ / Herwarthstraße 7 / Münster
Beginn: 19:30 Uhr

Hinweis der Veranstalter*innen: Mitglieder extrem rechter und rechtspopulistischer Parteien oder Organisationen, sowie Personen, die der rechten Szene angehören oder mit ihr sympathisieren oder in der Vergangenheit durch rassistische Wortbeiträge aufgefallen sind und Veranstaltungen gestört haben, sind von der Teilnahme an den Veranstaltungen ausgeschlossen. Die Veranstalter*innen behalten sich vor von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.

16. November: Demo in Münster gegen das neuen Polizeigesetz

Nachdem bereits im Juni hunderte Menschen in Münster und im Juli 20.000 Menschen in Düsseldorf gegen die Pläne der NRW-Landesregierung zur Änderung des Polizeigesetzes demonstriert haben, werden wir im November erneut auf die Straße gehen. Zwar hat Innenminister Reul nach der Kritik einige Änderungen an seinem Gesetzesvorhaben bekannt gegeben, im Kern bleibt das neue Polizeigesetz aber weiterhin eine Fahrkarte in Richtung autoritärem Polizeistaat. (Unsere Überlegungen zum politischen Kontext, in dem dieses Gesetz zu sehen ist, könnt ihr hier nachlesen.)

Wir – und viele andere politische Initiativen und soziale Bewegungen aber auch Jurist*innen – sagen deshalb weiterhin: „Nein zum neuen Polizeigesetz“. Die nächste Demonstration in Münster startet am 16.11.2018 um 16 Uhr aurf dem Servatiiplatz.

Vorbereitet wird die Demo von einem lokalen Bündnis. Im Folgenden dokumentieren wir den Bündnis-Aufruf Weiterlesen

Veranstaltungen rund um den 9. November 2018

Am 9. November 2018 jährt sich die „Reichspogromnacht“ zum 80. Mal. Nach dem Pogrom deportierte das Nazi-Regime mehr als 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager. Die Reichspogromnacht markiert den Übergang von der Verfolgung der Jüdinnen und Juden, die auch schon zuvor erheblichen Diskriminierungen und Repressalien ausgesetzt waren, hin zur bürokratisch organisierten Vernichtungspolitik des deutschen Faschismus. In Münster finden zahlreiche Veranstaltungen mit Bezug zu dem Thema statt und in Bielefeld wollen am 10. November Neonazis in Solidarität mit einer verurteilten Holocaustleugnerin aufmarschieren (siehe unseren Aufruf und Infos beim Bielefelder Antifa-Bündnis). Im Folgenden ein Überblick über die Termine. Weiterlesen

3. November: Protest gegen den AfD-Kreisparteitag


Die AfD will am Samstag, den 3. November ihren Kreisparteitag in Münster abhalten. Als besondere Provokation hat man dazu mal wieder das Rathaus als Versammlungsstätte gewählt. Das Bündnis „Keinen Meter“ will dies nicht unwidersprochen hinnehmen. Deswegen findet ab 13:30 Uhr eine Kundgebung auf dem Prinzipalmarkt statt. Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf: Weiterlesen

10. November: Keine Bühne für Aluhüte und die AfD!


2018 lädt der Verein zur Förderung des politischen Dialogs e.V. zum 4. Alternativen Wissenskongress (AWK). Klingt nett, oder? Bei dem Kongress handelt sich allerdings um ein Event für und mit Verschwörungsideolog_innen jeglicher Couleur, bei dem Verein um einen Haufen AfD-Aktivist_innen, die u.a. besagte Verschwörungsideolog_innen gerne an ihre Partei binden möchten. Die Antifa UNited mobilisiert gegen die Veranstaltung, die im „Raum Unna/Dortmund“ stattfinden soll. Wir unterstützen den Aufruf, den wir im Folgenden dokumentieren:
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