Keine Verbündeten: Kommentar zur vermeintlich palästinasolidarischen Demo am 07. Oktober 2025 in Münster

In Münster finden, wie in anderen Städten auch, regelmäßig pro-palästinensische Demonstrationen statt, die sich aufgrund ihrer einseitigen inhaltlichen Ausrichtung und des verherrlichenden Bezugs auf einen „Widerstand des palästinensischen Volkes“ aus unserer Sicht nicht als Bezugspunkt für Linke eignen. Die Protagonist*innen dieser Proteste ordnen die Lage in einem schlichten Gut-Böse-Schema, in dem Israel stets das „Böse“ ist und Palästina stets die „Guten“ sind. Die „Bösen“ sind die „Täter“, die man zur Rechenschaft ziehen will. Die „Guten“ hingegen sind über jeden Zweifel erhaben, sind “Opfer” und ihr Morden wird zum Widerstand erhöht. Dieses Narrativ führt selbst bei den abscheulichsten Gewalttaten zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Der Aufruf zur Demo „Palestine will be free“ ist dafür ein Paradebeispiel. Sie soll am Jahrestag des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober stattfinden und ein Blick in den Aufruf zeigt, dass die Terminwahl nicht nur als Provokation gemeint ist, sondern, dass die Veranstalter*innen die Massaker bewusst verherrlichen: Am 7. Oktober „jähren sich die gemeinsame Operation verschiedener Widerstandsfraktionen und die darauf folgende Eskalation des genozidalen Krieges gegen das Volk von Palästina“, heißt es dort. Wer so etwas schreibt, hat jeglichen politisch-moralischen Kompass verloren.

Vor zwei Jahren überfielen hunderte Bewaffnete der Hamas und anderer palästinensischer Gruppen israelische Dörfer, Kleinstädte und ein Musikfestival. Sie richteten brutale Massaker an wehrlosen Zivilist:innen an, ermordeten ganze Familien und vergewaltigten unzählige Frauen. Mehrere hundert Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Diese Taten sind durch nichts zu rechtfertigen und lassen sich nicht in ein fragwürdiges Widerstands-Narrativ einordnen. 

Als Reaktion griff die israelische Armee den Gazastreifen an. Auf erste Luftangriffe folgte eine Bodenoffensive, aus der ein nunmehr zwei Jahre andauernder Kriegszustand geworden ist, der zehntausende Todesopfer in Gaza gefordert und in dem schmalen Küstenstreifen großflächige Zerstörungen angerichtet hat. Dabei verübt auch die israelische Armee Verbrechen. Ein Ende des mit rücksichtsloser Härte geführten Krieges und damit ein Ende des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung wie der noch verbliebenen israelischen Geiseln in Gaza scheint nicht in Sicht. Die Hamas verweigert die Freilassung der Geiseln und damit jede Perspektive auf ein Ende der israelischen Angriffe. Die extrem rechten Hardliner in der israelischen Regierung wollen den Krieg ebenso fortsetzen. Während die Hamas sich in ihren Grundsätzen zum Ziel der Zerstörung Israels bekennt und sich dieser Vernichtungswille in der antisemitischen Gewalt des 7. Oktober zeigte, lassen sich mittlerweile auch Äußerungen von extrem rechten Ministern Israels finden, die deren tiefsitzenden Hass ohne Absicht auf Koexistenz offenbaren. Eine friedliche Lösung des seit Jahrzehnten währenden Nahost-Konflikts scheint weiter entfernt denn je. Dies erzeugt Ohnmacht und Wut. 

Forderungen nach einem sofortigen Ende des Gaza-Krieges und der umfassenden humanitären Versorgung der palästinensischen Bevölkerung sind richtig und nachvollziehbar, aber ohne die Forderung nach der sofortigen Freilassung der verbliebenen Geiseln unvollständig. Keine dieser Forderungen findet sich im Aufruf zur Demo. Es geht den Veranstalter*innen nicht um Frieden mit, sondern um die Zerstörung Israels und das, was sie in einer verqueren Logik als Kampf gegen „Imperialismus“ und „Kolonialregime“ verstehen.

In keinster Weise nachvollziehbar ist der positive Bezug auf einen „palästinensischen Befreiungskampf“, der von islamistischen und nationalistischen Kräften dominiert ist. In der Linken in Deutschland gibt es seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 eine Traditionslinie der positiven Bezugnahme und der zeitweisen Kooperation mit „palästinensischen Widerstandsgruppen“. Letztere war auch ein Weg, der in die politische Sackgasse des „bewaffneten Kampfes“ der RAF und der RZ führte. Diese lange Zeit eher randständige Traditionslinie ist in den letzten Jahren leider wieder erstarkt. Und genau wie damals ist sie geprägt von einer Überidentifikation mit dem, was als „palästinensischer Widerstand“ verstanden wird, der Ignoranz gegenüber der komplexen Geschichte des Nahost-Konflikts und des Antisemitismus in Deutschland sowie der Missachtung, die israelischen Perspektiven überhaupt nur wahrzunehmen.

Mit einer linken und humanistischen Perspektive auf Befreiung und Gerechtigkeit lässt sich die inhaltliche Ausrichtung der am 7. Oktober nicht in Übereinstimmung bringen.